Mittwoch, 23. März 2011

Betriebsblind

 GNU-Lizenz Bildherkunft: Wikipedia "Imperia-Statue" von Bildhauer Peter Lenk

An der Konstanzer Hafeneinfahrt steht eine Statue von Peter Lenk. Er nannte sie „Imperia“, weil sie die eigentliche Herrscherin darstellt. Sie verkörpert das, was ich auch in mir selbst als Sucht und Suche wahrgenommen habe. Der Bildhauer hat diese neun Meter hohe Figur meines Erachtens 1993 als Mahnmal errichtet, um sich und diese Welt kritisch zu hinterfragen. 'Mensch' sieht eine Dirne, die zwei weltliche Würdenträger auf ihren Händen trägt und sich, durch eine Mechanik angetrieben, einmal in drei Minuten um sich selbst dreht. Im gleichnamigen Buch von Paulo Coelho, das 2003 erschienen ist, geht es um 11 Minuten. So sind es doch einzelne Künstler und Kunststücke, welche mich neugierig gemacht und auf eine Betriebsblindheit aufmerksam gemacht haben, welche mit dem Thema Sexualität einhergeht.
Vor Jahren sah ich einmal einen Spruch mit einem lustigen Bild dazu, welcher so lautete: „Wer glaubt, er sei ein Engel, ist blind für seine (eigenen) Mängel!“ Und so bin ich vorsichtig geworden, mich selbst als allzu herausragend gegenüber anderen Zeitgenossen zu sehen. Das Bedürfnis, von sich mehr zu halten, als von anderen, erwächst offenbar aus einem Missverhältnis, einem Mangel, welcher diesem Ungleichgewicht durch eigenes Hervortreten, Glänzen und Prahlen entgegenkommen muss. Der Versuch, sich als größer, besser und schöner als andere sehen zu wollen, ist in der Wurzel ein Mangel an Liebe, welche diesem Menschen fehlt, egal, ob er sie sich selbst verweigert, oder ob sie ihm, aus welchem Grund auch immer, verweigert wird. „Hauthunger“ haben Psychologen das Phänomen genannt, welches ein Defizit im zwischenmenschlichen Bereich darstellt.
Die Kontaktpflege und die Intensität des Kontaktes zu einem anderen Menschen ist, so weit ich weiß, eine Sache des Temperaments. Auch regional erscheinen mir südlicher angesiedelte Menschen als temperamentvoller, als im Norden. Aber, was ich sehr stark vermute, ist, dass ein weiterer Faktor stark dazu beiträgt, ob Menschen sich Kontakt holen, und so ihren Hauthunger stillen, oder den Kontakt eher meiden und so in ein Defizit fallen. Dieser Faktor, meine ich, sei davon abhängig, wie dicht Menschen in einer Stadt beieinander wohnen. Diese scheinbare Nähe – dicht an dicht zu wohnen, in U-Bahnen und Bahnhöfen und an anderen Stellen sich zu drängen -, ist erzwungene, nicht selbst gewählte Nähe und erzeugt eher eine Abspenstigkeit, als dass sie ein Bedürfnis erfüllen könnte. Ja, es ergeben sich meines Erachtens eher mehr Konflikte im Zusammenleben, weil die Bedürfnisse der einzelnen Personen gegenseitig gar nicht wahrgenommen werden.
Was kann also die so provokante Erinnerung an die Problematik durch den Bildhauer  Peter Lenk und seine „Imperia“, die in Konstanz im Hafen steht, für mich – für den Leser meines kleinen Aufsatzes ( neudeutsch „blog“) sein? Sind Sie
betriebsblind? Gönnen Sie sich genügend Hautkontakt? Können Sie sich diesen Kontakt nur in Intimbeziehungen holen, oder gewähren Sie sich und anderen Menschen aus ihrem Umfeld auch diese Nähe und können sich trotz allem abgrenzen?

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